New Game - Es wird Zeit für ein neues Spiel

"Ich glaube, ein Mann will von einer Frau das gleiche wie eine Frau von einem Mann: Respekt."

 

 Clint Eastwood


Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es. Das hat jede und jeder von uns bereits auf vielfältige Weise erlebt. Doch manchmal sorgt auch erst die dazugehörige Bildbeschreibung für ein Aufrütteln. So erging es zumindest mir vor etwa 6 Wochen. Meine innere Widerstandskämpferin meldete sich plötzlich lautstark und entschied: „Es muss sich was ändern! Und zwar so schnell wie möglich.“

  

Ende Januar tagte das World Economic Forum in Davos. Wie jedes Jahr versammelte sich am Fuße des Schwarzhorns das „Who is Who“ aus Wirtschaft und Weltpolitik. Und wie in jedem Jahr gab es verschiedene Gruppenfotos, die über die Nachrichten- und Social Media Kanäle in die Welt getragen wurden. Und so dauerte es auch nicht lange, bis einer meiner Lieblings-Accounts auf Twitter  @undwievieleFrauen eines der Bilder retweete: „125 Männer, 17 Frauen“ lautete die lapidare Beschreibung eines Bildes der einflussreichsten CEOs der Welt. Einhundertfünfundzwanzig Männer und siebzehn Frauen. Der Tweet brannte sich in mein Gehirn ein und seitdem lässt er mich nicht mehr los.  



Es macht mich wütend, dass es immer noch als Normalität betrachtet wird, dass Männer die Geschicke der Welt lenken. So als gebe es ein Naturgesetz, das Männer zu besseren Anführern, Entscheidern oder Wortführern macht. Der aktuelle Zustand der Welt -  politisch, ökologisch wie wirtschaftlich - gibt jedoch ein anderes Zeugnis. Und so bin ich nun seit dem 23. Januar, dem Tag an dem das Bild der einflussreichsten CEOs in meiner Twitter-App erschien, für die Frauenquote – und das weltweit.

 

Denn wir schreiben das Jahr 2018. Und mit Blick auf das, was in den vergangenen Jahrzehnten passiert oder besser gesagt, was alles nicht passiert ist, will ich mich nicht länger zufriedengeben. Es muss sich etwas ändern! Als ich vor über 20 Jahren mein Abi machte, dachte ich noch, dass sich das mit der Gleichberechtigung und den gleichen Chancen für Frauen und Männer jeglicher Herkunft mit der Zeit schon ergeben würde. Doch heute sehe ich das anders. Entweder wir tragen aktiv zu einem Bewusstseinswandel bei, oder die bestehenden Systeme reproduzieren sich auch noch in den nächsten Jahrzehnten.

 

Nun könnte der Eindruck entstehen, ich misstraute Männern und ihren Fähigkeiten. Doch das ist in keinster Weise der Fall. Wem mein Misstrauen gilt, sind die Wirkmechanismen männlich-dominierter Systeme. Systeme, in denen es um das bloße Siegen geht. Systeme, in denen Menschen und Ressourcen als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Systeme, in denen Dominanz als Macht- und Machterhaltungsinstrument genutzt wird.

 

Zu welchen Auswüchsen das führen kann, zeigt sich immer wieder in den unterschiedlichsten Facetten. Die verantwortungslose „Höher-Schneller-Weiter-Mentalität“ führte zur weltweiten Finanzkrise. Sie bedroht Mensch und Tierwelt durch massiven Eingriff in die Natur oder führt zur Ausbeutung und Missbrauch von Menschen auf dem gesamten Globus. Dies geschieht in Entwicklungsländern, aber ebenso in Ländern der ersten Welt. Erschreckend dabei ist, dass diese Wirkmecha-nismen auch vor vermeintlich aufgeklärten oder gar innovativen Unternehmen und Branchen nicht Halt macht. Das Silicon-Valley kann mittlerweile ein Lied davon singen. Uber ist nur eines der Unternehmen, in denen der Erfolg Männer nicht nur zu Kopf gestiegen ist, sondern ihnen gleich noch den Verstand raubte. Anders kann man es nicht erklären, wie sexuelle Belästigung und Nötigung Teil einer Unternehmenskultur werden

 

Und so beobachten manche Verantwortliche der Tech-Industrie bereits, dass dem Valley die Frauen davon laufen und es zu einem brain-drain gut ausgebildeter und kreativer Frauen kommt. Denn welche intelligente Frau tut sich so etwas freiwillig an?

 

Und so fühle ich mich mehr und mehr bestärkt, dass die Frauenquote unabdingbar ist, wenn wir die bestehenden Systeme aufbrechen und nachhaltig verändern wollen. Oft ist die Rede davon, dass Frauen, die in solchen Systemen vorankommen wollen, sich männlichem Verhalten anpassen müssten. Zum gewünschten Kulturwandel käme es dann trotz Frauenquote nicht. Ich sehe das anders. Denn im Moment sind es einzelne Frauen, die sich durchboxen müssen. Wäre die Quote von 30% für Vorstandspositionen verbindlich, dann müsste sich eine Frau nicht länger als Einzelkämpferin in einem Männerzirkel behaupten, sondern wäre gleichwertiges Vorstandsmitglied in einem Kreis von Männern und Frauen.

 

Doch es gibt eine weitere sehr beliebte Karte, die bei der Frauenquote gerne gespielt wird. Frauen, so heißt es, sollten eine Stelle nicht aufgrund einer Quote erhalten, sondern weil sie die entsprechenden Kompetenzen und Erfahrungen mitbringen.  

Ja, das stimmt natürlich. Aber wer kann denn behaupten, dass es immer die kompetentesten Männer sind, die in der Hierarchie nach oben steigen? Vielleicht spielen sie einfach nur am besten das Spiel ihrer Company. 

 

Die Kompetenz von Männern, die oben angekommen sind, wird selten öffentlich angezweifelt – die von Frauen sehr wohl. Alleine das ist schon diskriminierend.

 

Wie werden die obersten Positionen denn vergeben? Da werden Headhunter engagiert und die zapfen dann ihr Netzwerk an. Oder die verantwortlichen Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder gehen ihr eigenes Netzwerk durch. Sorgt das für die Auswahl der kompetentesten Kandidaten? Oder erhält dabei vielleicht einfach der den Zuschlag, der sich und seine Erfolge am geschicktesten verkauft? Man könnte nun einwerfen, dass auch dies eine wichtige Kompetenz an der Spitze eines Unternehmens ist.  Ja, mag sein, aber hilft sie auch dabei eine Organisation zu führen und für die Zukunft fit zu machen? Ist sie hilfreich beim Lösen herausfordernder Probleme, die voraussetzen, wenn nötig auch das Management und bestehende Strukturen zu hinterfragen und sich in den Dienst des Unternehmens zu stellen? Oder dient die Organisation womöglich dem Stelleninhaber dabei sein persönliches Ansehen noch weiter zu steigern? 

 

Bei einer Konferenz des manager magazin vor wenigen Wochen in Hamburg erzählte beispielsweise Sigrid Nikutta, CEO der Berliner Verkehrsbetriebe, dass sie nur deshalb die Chance auf den Posten hatte, weil die Stelle öffentlich ausgeschrieben war und sie so über die Tageszeitung von der Vakanz erfuhr. Denn in Berlin sind Arbeitgeber der öffentlichen Hand verpflichtet die Managementpositionen  öffentlich auszuschreiben.

 

Aber wofür nun das alles? Warum sollten mehr Frauen in verantwortlichen Positionen sein? Was erwarte ich von Systemen, die von Männern und Frauen gleichermaßen gestaltet und geprägt werden?

 

Ich verspreche mir Systeme, in denen sich die verschiedenen Lebens- und Erfahrungswelten, Kompetenzen und Ideen von Männern und Frauen ergänzen und bereichern. Systeme, die das gemeinsame Wofür in den Mittelpunkt stellen und die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. Ich erwarte mir Systeme, die den Menschen und der Gesellschaft dienen und sich der Lösungen unternehmerischer und gesellschaftliche Herausforderungen verpflichten.

Doch was hält uns bislang auf, das auch ohne Quote zu realisieren?

 

Seit dem Start von #NewWorkWomen beobachte ich zwei Mechanismen, die das bestehende System stützen.

Da sind auf der einen Seite die männlichen Führungszirkel, die sich immer wieder reproduzieren. Die AllBright-Stiftung nennt dieses Phänomen, bezogen auf deutsche Unternehmen, den Thomas-Kreislauf. Soll heißen, Thomas stellt Thomas ein. Denn gleich und gleich gesellt sich bekanntlich gern. Und so sind in den deutschen börsennotierten Unternehmen beispielsweise mehr Vorstände mit dem Namen Thomas und Michael zu finden als Frauen. Ein völliger absurder Fakt, der jedoch aufzeigt, wie robust die Reproduktion von Systemen ist.

 

Hier braucht es Entscheider, sei es im Vorstand oder im Aufsichtsrat, die die bestehenden Mechanismen hinterfragen, eigene Glaubenssätze und geschlechtsspezifische Vorurteile - positive wie negative - kritisch reflektieren und sich  Ziele für ihr Unternehmen setzen, wie zum Beispiel SAP. Und es braucht Menschen, die den Status-Quo in Frage stellen und sich für mehr Vielfalt in Führung stark machen. Und das im Großen wie im Kleinen. Und wenn es nur das Teilen eines Beitrags auf Facebook ist, eine Frage oder ein Statement zur aktuellen Führungsstruktur in der eigenen Organisation oder das Aufzeigen fehlender Einbindung weiblicher Perspektiven bei Konferenzen oder Meetings.

 

An dem zweiten Rädchen, das den Status-Quo stärkt und stützt, drehen wir Frauen selbst. Immer wieder erlebe ich wie Frauen aufgrund von Sozialisation oder persönlicher Überzeugung, sich und ihre Kompetenzen und Ideen zurückhalten. Im Rahmen der Aktion #365Impulse, mit der wir jeden Tage Gedanken und Ideen von Frauen zur Zukunft der Arbeit in die Welt tragen, höre ich oft, wenn ich Frauen direkt anspreche und um ein Zitat bitte. „Ich will mich nicht in den Mittelpunkt stellen“. Eine Frau sagte mir mal: „Ich weiß, dass das eine anerzogene Zurückhaltung ist, der ich mich da unterordne, aber irgendwie fällt es mir schwer, mich davon frei zu machen.“ Und so ist meine Antwort auf die Aussage auch immer gleich: „Du stellst nicht Dich in den Mittelpunkt. Du beziehst Position und stellst Dein Anliegen, deine Ideen in den Mittelpunkt. Und wer könnte Dein Anliegen, Deine Idee besser vertreten und darlegen als Du selbst?"

 

Das macht für viele Frauen bereits einen Unterschied. Und so hoffe ich, dass sich noch viel mehr Frauen ihrer anerzogenen Zurückhaltung bewusst werden und sich von dieser emanzipieren. Denn jede Frau kann einen Unterschied machen, wenn sie ihre Impulse und Ideen nicht der Welt vorenthält. Denn das ist es, wozu diese Zurückhaltung führt: eine Welt, die auf Ideen von Frauen verzichten muss. Ist nicht gerade das eine zu furchtbare Vorstellung?

 
Also, all Ihr lieben Frauen und Männer, denen Vielfalt und die darin liegenden Potentiale am Herzen liegen. Teilt Eure Gedanken, bezieht damit Stellung und unterstützt und bestärkt all jene, deren Beitrag Ihr in der Welt sehen wollt. Fordert den Status-Quo mutig heraus, hinterfragt kritisch bestehende Strukturen, gängige Glaubenssätze und Argumentationsketten und zeigt auf,  welche andere Welt Ihr Euch wünscht. Und gestaltet so beherzt eine Zukunft, die auf Vielfalt, Potentiale und Gleichwertigkeit baut.  



Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X und Initiatorin von New Work Women. Sie ist bekennende New Work Enthusiastin und unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach in Veränderungsprozessen. Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen, lautet dabei ihr Leitsatz.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0